Autogenes Training gegen Stress

Autogenes Training gegen Stress
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Das autogene Training ist ein Entspannungsverfahren, das du für gewöhnlich im Sitzen oder im Liegen durchführst. Bei dieser Anti-Stress-Technik handelt es sich um ein sogenanntes autosuggestives Verfahren, das mit der Hypnose verwandt ist. Du lernst dabei nicht nur, deinen Körper zu entspannen, sondern auch deine Gedanken loszulassen.

Was versteht man unter Autogenem Training?

Das Entspannungsverfahren wurde von dem Arzt Johannes Heinrich Schultz erdacht und im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Die moderne Form des Autogenen Trainings besteht aus einer Einführung, den sechs eigentlichen Übungen und dem Abschluss. Bei der Erarbeitung der einzelnen Schritte orientierte sich J. H. Schultz an typischen Wahrnehmungen, die während einer Hypnose auftreten.

Die Einführung bereitet dich auf die Entspannung vor: Du sagst dir selbst in Gedanken, dass du ganz ruhig und entspannt bist. In der darauffolgenden ersten Übung stellst du dir vor, das ein Teil deines Körpers nach dem anderen schwer wird. Die Reihenfolge ist festgelegt. Du beginnst dabei meistens mit dem linken Arm – Linkshänder können hingegen mit dem rechten Arm anfangen.

In der zweiten Übung steht das Wahrnehmen von Wärme im Vordergrund, woraufhin du dich auf deine Atmung konzentrierst. Im Anschluss daran fokussierst du das „Sonnengeflecht“ – damit ist eine warme Empfindung im Bauch gemeint. Der fünfte Schritt besteht darin, dir gedanklich vorzusagen, dass dein Herz ruhig und regelmäßig schlägt, bevor du dich auf die Kühle deiner Stirn besinnst. Zum Abschluss suggerierst du dir selbst noch einmal selbst, dass du dich nun vollkommen ruhig und entspannt fühlst.

Kann das Entspannungsverfahren gegen Stress helfen?

Psychologen und Psychotherapeuten wenden das Autogene Training bei verschiedenen psychischen Beschwerden an. Du kannst das Entspannungsverfahren allerdings auch durchführen, wenn du völlig gesund bist. In Deutschland ist es als Prävention anerkannt und soll der Entstehung von Stress und den damit verbundenen Problemen vorbeugen. Neben der Progressiven Muskelrelaxation (PMR) nach Edmund Jacobsen zählt es zu den Entspannungsverfahren, die am häufigsten angewendet werden.

Die Anti-Stress-Technik kann in deinem Körper eine Vielzahl von Effekten hervorrufen. Zum Beispiel sinkt während der Durchführung typischerweise der Blutdruck und das parasympathische Nervensystem wird verstärkt aktiviert. Dieser Teil des Nervensystems ist für Entspannung und Regeneration verantwortlich. Zum Parasympathikus gehört allerdings auch die Verdauung – deshalb musst du dich nicht erschrecken, wenn bei den Übungen dein Bauch gluckert oder du andere Verdauungsgeräusche hörst.

Das Autogene Training ist nicht für die einmalige Anwendung gedacht. Stattdessen führst du es täglich durch. Manche Empfehlungen sprechen sogar davon, dass du die Anti-Stress-Technik dreimal pro Tag durchführen solltest, wenn du die Gelegenheit dazu hast. Wenn du die Entspannungsmethode für dich nutzen möchtest, solltest du nicht warten, bis du psychische Symptome wahrnimmst und es nur bei Bedarf anwenden, sondern die Übungen zu einem routinierten Teil deines Alltags machen.

Für wen ist die Entspannungsmethode (nicht) geeignet?

Bereits sechsjährige Kinder können das Entspannungsverfahren anwenden. Für sie werden die suggestiven Formeln entsprechend kindgerecht gestaltet und können in eine Geschichte eingebettet werden, ähnlich wie bei einer Fantasiereise. Obwohl viele Menschen von der Anti-Stress-Technik profitieren können, eignet sie sich leider nicht für jeden gleich gut.

Das Entspannungsverfahren kann die Magensäureproduktion anregen und ist deshalb bei Magen-Darm-Beschwerden nicht sinnvoll. Darüber hinaus kann die Entspannung den Blutdruck sinken lassen, was ein potenzielles Problem ist, wenn du zu Kreislaufbeschwerden neigst oder schwanger bist.

Häufig wird von einer Anwendung des Autogenen Trainings abgeraten, wenn jemand unter einer akuten Psychose mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen leidet. Wenn du eine Phobie vor Blut oder Wunden hast, kann diese Form der Entspannung ebenfalls kontraindiziert sein. Auch bei Epilepsie und Krankheiten der Atemwege wird die Anti-Stress-Technik eher nicht angewendet – bei allen Gegenanzeigen kommt es allerdings immer auf den Einzelfall an.

Wie wird das Autogene Training durchgeführt?

Wenn du die einzelnen Formeln erst einmal beherrschst, kannst du das Entspannungsverfahren selbstständig anwenden. Es existieren CDs, MP3s, Videos und andere Medien, auf denen dir eine Stimme die einzelnen Übungsschritte vorgibt. Allerdings bist du nicht zwingend auf eine solche Anleitung angewiesen. Eigentlich ist die Methode dafür gedacht, dass du zwar die Reihenfolge der einzelnen Schritte einhältst, dir aber nach und nach deine eigenen Formulierungen dafür zurechtlegst und die Anti-Stress-Technik somit für dich individualisierst.

Während der Durchführung sitzt du in der Haltung eines Droschkenkutschers, also leicht nach vorn gebeugt. Die Füße stehen flach auf dem Boden und die Knie bilden einen rechten Winkel. Sie berühren einander nicht, sondern stehen auseinander, sodass du die Unterarme bequem auf deine Oberschenkel legen kannst. Die Füße stehen dementsprechend in einigem Abstand voneinander entfernt. Wenn dir diese Haltung nicht zusagt, kannst das Autogene Training jedoch auch im Liegen durchführen oder dich in einem Entspannungssessel zurücklehnen. Deine Augen sind entweder geschlossen oder du lässt deinen Blick auf einem Punkt vor dir ruhen.

Wichtig ist, dass du dir für die Anwendung der Anti-Stress-Technik ausreichend Zeit nimmst, da Zeitdruck kontraproduktiv ist. Du kannst das Autogene Training auch vor dem Schlafengehen durchführen, wenn du tagsüber nicht ausreichend Ruhe dafür findest. Darüber hinaus solltest du bequeme Kleidung tragen.

Die Oberstufe für Fortgeschrittene

Bei der Oberstufe des Autogenen Trainings handelt es sich um Übungen für Fortgeschrittene, die die sogenannte Grundstufe sicher beherrschen. Es gibt unterschiedliche Varianten, die jeweils verschiedene Ziele verfolgen. Die ursprüngliche Oberstufe von J. H. Schultz orientiert sich sehr stark an der Psychoanalyse, ähnelt in vielen Aspekten jedoch auch bekannten Imaginationstechniken. Bei der ersten Übung der Oberstufe stellst du dir zum Beispiel eine Farbe vor und im zweiten Schritt lässt du ein Objekt vor deinem geistigen Auge erscheinen. Die sechste und letzte Übung besteht jedoch darin, Fragen an dein eigenes Unbewusstes zu formulieren, um Antworten darauf zu finden.

Im Gegensatz zur Grundstufe ist die Oberstufe kein reines Entspannungsverfahren mehr, sondern verfolgt weitergehende Ziele. Die analytische Oberstufe versucht, die Psyche als solche zu verstehen und teilweise auch unbewusste Konflikte zu lösen. Wenn es dir in erster Linie darum geht, dir eine Anti-Stress-Technik anzueignen, kannst du dich jedoch auch nur auf die Grundstufe beschränken.