Sicher weißt du schon eine Menge über Stress, z. B. dass er zu körperlichen Beschwerden und auch Depressionen oder zum Burnout-Syndrom führen kann. Trotzdem ziehen die wenigsten Menschen Konsequenzen aus dem Wissen um Stressoren (Stressauslöser), lassen sich treiben und spüren die Folgen. Umdenken lohnt sich für dich, denn ein Leben mit weniger Stress bedeutet ein glücklicheres Leben zu führen.
Natürlich erhebt die folgende Liste von zehn Stressoren und dessen Bekämpfung in unspezifischer Reihenfolge keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dafür sind die Leben unserer Leser/innen zu unterschiedlich. Mit dem einen oder anderen Tipp kannst du dich aber sicher identifizieren.
1. Zu viel Arbeit, wenig Pausen
Regelmäßig einer Arbeit nachzugehen, ist für die meisten Menschen sinnstiftend und erfüllend. Doch viele Beschäftigungsmodelle und selbstständige Arbeit sind keine erreichbaren Herausforderungen mehr, sondern füttern täglich den Stressor Überforderung. Ob digitales Prekariat, Service-Jobs mit hoher Sozialkomponente (und entsprechend hoher Rate aufbrausender Kunden), Jobs mit 12-Stunden-Schichten ohne Wochenende oder Multijobbing – der geregelte Arbeitstag ohne stressige Überraschungen und mit freien Tagen sowie festen Pausenzeiten gehört für viele Menschen schon der Vergangenheit an.
Gesellschaftlich debattiert wird darüber seit Jahren. Doch die Lösungsansätze kommen in Trippelschritten daher. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, höhere Bezahlung für Pflegeberufe, Maschinensteuern, eine starke Mindestlohnanpassung, Verbot der Selbstausbeutung – all dies ist Zukunftsmusik. Du musst also selbst Herr der Lage werden. Falls du einer unterbezahlten oder zu zeitaufwendigen Beschäftigung nachgehst, gibt es immer Möglichkeiten, das zu ändern. Umschulen, Studieren, das Abitur nachholen, ist auch in der Mitte des Lebens noch möglich, insbesondere in Deutschland. Die einfachste Maßnahme ist freilich: Schau dich auf dem Arbeitsmarkt um. Seltsamerweise studieren die Wenigsten Stellenanzeigen, die mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden sind.
2. Prokrastination – Die Aufschieberitis grassiert
Wenngleich ranghohe Angestellte, Politiker oder Manager die Prokrastination bewusst nutzen, ist das Aufschieben von wichtigen Erledigungen ein Stressor, der bis zur Handlungsunfähigkeit führen kann.
Nutzen kannst du das Aufschieben von Dingen, indem dadurch eine Hierarchie der Wichtigkeit von Aufgaben entsteht – die Beantwortung der langen E-Mail von der besten Freundin kann Stunden beanspruchen, in denen du drei andere Aufgaben erledigen kannst. Manager, insbesondere von Firmen in schnelllebigen Wirtschaftszweigen, verschieben E-Mails in Zu-Erledigen-Ordner oder delegieren direkt an die nächst tiefere Hierarchiestufe. Vieles ist einfach nicht so wichtig, jedenfalls nicht in Relation zu anderen Dingen. Während sich zwanzig E-Mails des Managers von selbst regeln, siehst du doch deine Freundin sowieso in zwei Wochen – du kannst die Aufgabe vom E-Mail-Beantworten also auf nochmaliges Lesen reduzieren.

Diese Taktik funktioniert allerdings nur, wenn du deine Zeit sinnvoll nutzt, die zu erledigenden Aufgaben nach Relevanz abarbeitest und einige Listenplätze streichst oder abgibst. Der Abwasch kann warten – die Hausaufgaben der Kinder sind wichtiger.
Falls du eher ein Problem damit hast, wichtige Aufgaben überhaupt anzugehen: Teile die Aufgaben in kleine Teilaufgaben. Schreibe dir die Arbeitsschritte zur Not auf. Stelle einen Zeitplan für die übersichtlichen Teilaufgaben auf und halte dich bestmöglich daran, plane aber etwas mehr Zeit als nötig ein. Belohne dich für das Erreichen von Zwischenzielen. Freue dich bewusst darüber, dass du die Aufgabe schon teilweise erledigt hast, statt ihr immer noch auszuweichen.
3. Perfektionismus ist meist übertrieben
Ein Arbeitssoll zu perfekt erledigen zu wollen, kann auch eine Prokrastinationstaktik sein. Jeder Handwerker lernt in seinen ersten Tagen als Lehrling: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Alles Andere ist Zeit- und Geldverschwendung. Ob eine Aufgabe gut, sehr gut oder perfekt erledigt wurde, macht nur wenige Prozent Unterschied im Endergebnis aus. Doch jedes Prozent nahe der Perfektion kostet überproportional viel Aufwand.
Erwischst du dich selbst beim Streben nach Perfektion auf deiner Arbeit? Bedenke immer, dass der zusätzliche Workload ein Stressor sein könnte. Oft ist es besser, eine Sache gut erledigt zu haben und die nächste folgen zu lassen statt an den Details der absoluten Vollendetheit der ersten Sache zu verzweifeln. Es dankt dir in der Regel auch niemand, oft gehen besonders gute Arbeitsergebnisse sogar in der Masse unter.
4. Unzufriedenheit in der Partnerschaft
Jeder von uns benötigt Schutzzonen, in denen man sich geborgen, sicher und bedingungslos wertgeschätzt fühlt. Neben der Familie und Freunden macht diese Zone die Beziehung zum Liebsten / zur Liebsten aus. Liegt eine dauerhafte Störung in der Beziehung vor, so ist dies ein bedeutender Stressor. Probleme in der Liebesbeziehung dürfen nicht ignoriert werden. Beide Parteien, in heterosexuellen Beziehungen insbesondere die männlichen Parts, müssen das Erreichen einer beständigen Partnerschaft auch als Beziehungsarbeit begreifen. Ungleiche Verteilung der Familien- und Hausarbeit ist immer noch ein Thema, auch bei jungen Pärchen. Falls du in deiner Beziehung Schwierigkeiten siehst, spreche sie an. Dabei sollte der Gang zur Paartherapie oder die Lektüre von Fachliteratur nicht als unmöglich erachtet werden.
5. Sexuelle Schwierigkeiten
Sexuelle Unlust, Potenzprobleme, zu seltener Sex oder krasse Verhaltensänderungen im Liebesspiel können schwerwiegende Stressoren sein. Eine Korrelation zur allgemeinen Unzufriedenheit in der Partnerschaft kann hier auftreten, aber auch als folgerichtiger Stressfaktor aus anderen Problemen, z. B. Krankheit, Ärger im Berufsleben usw. in Erscheinung treten. Abgesehen von Asexualität, die zumeist schon am Anfang einer Beziehung bekannt ist, stehen auch hier therapeutische Angebote zur Verfügung. Davor aber ist dir schon weitergeholfen, wenn du selbst tief in dich gehst und versuchst, die Ursachen zu ergründen. Übrigens können und sollten Pärchen über Sex sprechen, um die gegenseitigen Wünsche zu verstehen und diese schönste Nebensache der Welt nicht zu einem Stressor der unerfüllten Erwartung und Enttäuschung zu machen.

6. Tod des Partners, eines Freundes oder Angehörigen
Mit der größten Zäsur in unserem Leben – dem Sterben – lässt sich nur schwer umgehen. Es dürfte jedem einleuchten, dass der Tod einer nahestenden Person Spuren hinterlässt und einen der größten Stressoren darstellt. Nicht selten stellt man nach so einem harten Schnitt sein ganzes Leben um. Trauer, Bewältigung, das Alleinsein, sich verlassen fühlen und die Arbeit, die mit einer Lebensumstellung verbunden ist, all das kann sich sogar dauerhaft negativ auf die Psyche auswirken. Trauer einfach runterschlucken und so tun, als wäre nichts gewesen, ist daher keine Option. Selbst wenn du zu einer verstorbenen Person ein ambivalentes Verhältnis hattest, z. B. einem prügelndem Vater, solltest du dich mitteilen. Niemand erwartet von dir, dass du einen Tod von jetzt auf gleich bewältigst. Spreche mit deinen Freunden und deiner Familie darüber. Nimm dir frei, aber ignoriere das Thema nicht. Vermeiden lässt sich dieser Stressor natürlich nicht. Lohnen würde sich jedoch, Beziehungen aufrecht zu erhalten, um später kein schlechtes Gewissen gegenüber der toten Person zu haben.
7. Umzug in eine neue Stadt
Beispielsweise aus partnerschaftlichen oder beruflichen Gründen sind Wohnortwechsel nicht immer zu vermeiden. Wer keine zwanzig Jahre mehr alt ist, fühlt sich in einer neuen Umgebung oft fremd und allein, was ein großer Stressor ist. Wenn du das nächste Mal umziehst, gehe das Thema bestenfalls offensiv an, bevor es sich in Stress verwandelt. Eine gute Vorbereitung über die Stadt und ihre Infrastruktur ist das Eine, das Andere das aktive Kennenlernen von Menschen. Freundeskreise bauen sich nicht von selbst auf und je schneller neue Kontakte geschlossen werden, desto besser geht man mit der neuen Lebenssituation um.
8. Zu wenig Schlaf
Jeder Mensch hat ein individuelles Schlafverhalten. Vielleicht reichen dir fünf Stunden, während andere in deinem Alter acht benötigen, um den Tag aktiv anzugehen. Sicher ist hingegen, dass zu wenig deiner selbst ermittelten Schlafzeit gesundheitliche Folgewirkungen mit sich zieht. Mit ausreichendem Schlaf bekämpfst du den Stressor, nimm dir also Zeit dafür und spare lieber an eher sinnlosen Tätigkeiten wie Fernsehen oder Videogames.
9. Verschuldung
Selbst in Zeiten bester wirtschaftlicher Lage des Landes sind private Schulden ein großes Thema, das vielfältigste Ursachen aufweist. Konsumsucht ist dabei nur eine mögliche Ursache von vielen. Doch ob durch Arbeitslosigkeit, einen Unfall oder zu hohe Wohnungsmiete hervorgerufen – Schulden, die aus eigener Kraft nicht zurückgezahlt werden können, verursachen bei den meisten Menschen starke Stressreaktionen. Wenn du in eine solche Situation geraten solltest, suche dir frühzeitig unentgeltliche Hilfe bei einer Schuldnerberatung. Meist gibt es Licht am Ende des Tunnels. Prophylaxe sei hier jedem empfohlen. Wenn am Endes des Monats der Kontostand regelmäßig in den Kontokorrentkredit rutscht, ist man in einer Notsituation sofort überlastet. Einen Notgroschen in Höhe von drei Monatseinkommen sollte zu jedem Zeitpunkt auf dem Konto oder Tagesgeldkonto verfügbar sein.

10. Pensionierung / Arbeitlosigkeit
Wenn du aus deinem beruflichen Leben temporär oder dauerhaft ausscheidest, kann sich dies als großer Stressor erweisen. Zahlreiche Menschen besitzen kein Auffangnetz, sondern nur Privatleben und Arbeitsleben als Faktor der Bestätigung, der Sinnstiftung und als Multiplikator für soziale Kontakte. Es kann passieren, dass du in ein schwarzes Loch fällst und die Depression zu sprießen beginnt. Entgegenwirkende Maßnahmen wären das Schaffen von weiteren sinnvollen Beschäftigungen wie ein stärkeres Einbringen in die Familienarbeit, ehrenamtliche und politische Arbeit.
Fazit
Du siehst, ein dauerhaft stressiges Leben ist kein Schicksal. Wenn auch nicht alles, aber vieles hast du in der eigenen Hand. Stressoren aus deinem Alltag zu verbannen, kann natürlich auch Stress auslösen. Aber mit dem Vorstoß in ausgeglichene Verhältnisse belohnst du dich selbst. Mit Zufriedenheit, Gesundheit und Lebensfreude.