Levis Stressmodell – eine zentrale Theorie zur Stessentstehung

Levis Stressmodell
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Stress ist ein Phänomen, das in der heutigen Zeit jeder Mensch kennt. Ob in der Arbeit oder im Familienleben – Stress kann überall auftreten und gilt inzwischen sogar als „Volkskrankheit“. Die WHO stuft die psychische Belastung sogar als eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts ein. Im Gegensatz zu unseren Vorfahren sind wir Menschen allerdings kaum noch lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt. Die Menschen hier haben genügend zu Essen, ein Zuhause und zusätzlich jede Menge Dinge, die unser Leben etwas angenehmer machen. Und trotzdem beschreibt fast jeder Mensch sein Leben meist als stressig.
Schon vor Jahrzehnten haben sich zahlreiche Forscher und Wissenschaftler mit Stress und den damit resultierenden Folgen auf den Körper und die Psyche befasst. Es gibt inzwischen viele Modelle die Stress erklären und Copingsstrategien erläutern können. Eine weit verbreitete und bekannte Theorie ist Lennart Levis Stressmodell. Bereits im Jahr 1975 veröffentlichte der Wissenschaftler seine Erkenntnisse.
Das Levis Stressmodell findet auch heute noch in der Stressforschung Anwendung und deswegen möchten wir dir diese Theorie einmal genauer erläutern.

Levis Stressmodell

Levi definiert Stress als eine gemeinsame Form der Reaktion des Organismus eines Menschen auf Belastungen. Diese Belastungen können das dynamische Gleichgewicht stören, das aus psychischen, physiologischen und auch biologischen Reaktionsabläufen besteht.

Psychischen Reaktionen

Durch diese Definition siehst du auch, dass der Forscher Levi zwischen verschiedenen Reaktionen unterscheidet. Die psychischen Reaktionen beschreiben die Emotionen eines Menschen. Das kann beispielsweise Ärger, Wut, Eifersucht oder Neid sein. Die biochemischen Reaktionen beschreiben Vorgänge die im menschlichen Körper entstehen. So erhöht eine Stressreaktion den Anteil bestimmter Botenstoffe und auch Hormonen im menschlichen Körper. Aber auch der Hormonspiegel von Adrenalin und Cortisol steigt zusätzlich an. Diese biochemischen Abläufe im Körper kannst du nicht steuern. All dies funktioniert automatisch. Wissenschaftler sprechen auch davon, dass sich so dein Körper kampf- und fluchtbereit macht. Also hat der Mensch in dieser Situation zwei verschiedene Möglichkeiten. Er kann die stressige Situation bekämpfen oder er kann sich zurückziehen.

Physiologischen Reaktionen

Die physiologischen Reaktionen hingegen sind die sichtbaren Symptome. Das können zitternde Hände sein oder ein leichter Schweißfilm, der sich auf der Stirn bildet. Dein Atem beschleunigt sich und der Puls sowie der Blutdruck schellen in die Höhe. In deinen Muskeln weiten sich die Adern, dadurch wird die Durchblutung gefördert. Der steigende Muskeltonus führt oftmals zu unangenehmen Verspannungen. Auch nervöses Fußwippen oder ein Zähneknirschen stehen damit im Zusammenhang. Andere Funktionen, die in diesem Moment als eher unwichtig eingestuft werden, wie beispielsweise die Verdauung oder die Sexualfunktionen werden hinabgesetzt. So kann der Körper Energie sparen, die an anderer Stelle benötigt wird.

Veränderung der physikalischen Umwelt und der psychosozialen Situation

Levis Stressmodell besteht aus 5 verschieden Stufen. In der ersten Stufe kommt es dazu, dass sich die physikalische Umwelt und die psychosoziale Situation einer Person verändert. Das kann durch ganz verschiedene Gründe geschehen. Beispielsweise ist Lärm oder ein unangenehmer Geruch ein Indikator dafür. Aber auch hohe Leistungsanforderungen von deinem Chef zählen hierzu. Auch finanzielle Schwierigkeiten sind in Levis Stressmodell aufgelistet und können für eine Veränderung der Situation verantwortlich gemacht werden.

Stress mit dem Chef
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Verwundbarkeit, Widerstand, Disposition

In der zweiten Stufe beschreibt Levis Stressmodell nun den Zusammenhang von Dispositionen und der veränderten Situation eines Menschen. Dies führt zu einer Verwundbarkeit der betroffenen Person.
Du fragst dich, was man in diesem Zusammenhang unter einer Disposition verstehen? In der Psychologie und in der Medizin wird darunter verstanden, welche Anlagen der Mensch geerbt oder auch erlernt hat. Es gibt Menschen, die auf bestimmte stressige Situationen viel gelassener reagieren können, als andere Personen. Verantwortlich können hier die unterschiedlichen Dispositionen eines Menschen gemacht werden.
Die genetischen Dispositionen erhält der Mensch bei seiner Geburt und kann diese nicht verändern.

Pathologische Prozesse als Folge

Nun folgen Prozesse, die negativ auf den Organismus wirken. Dies bezeichnet Levi nun als Stress.

Vorläufern von Krankheit

Diese negative Beeinflussung löst in der vierten Stufe des Levis Stressmodells nun Vorläufer von Krankheiten aus. Oft kann eine psychische Belastung Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System eines Menschen haben. Bluthochdruck ist beispielsweise ein häufiger Vorläufer für weitere oft schwerwiegende Erkrankungen.

Manifeste Erkrankung

In der letzten Stufe von Levis Stressmodell verfestigen sich bei einer Person diese Symptome. Dies kann dann geschehen, wenn die psychische Belastung über einen längeren Zeitraum anhält. Manchmal ist es nicht möglich einen Stressor zu beseitigen oder es fehlen die benötigten Copingstrategien, um die stressige Situation wieder zu entschärfen. Es können sich nun ernsthafte Krankheitsbilder entwickeln.
So gilt Stress als einer der größten Risikofaktoren für Diabetes. Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems können zu Herzrasen und Herzstolpern führen. Das Risiko an einem Herzinfarkt zu erkranken ist durch chronischen Stress erhöht. Psychische Belastungen können auch Auswirkungen auf den Magen-Darm-Trakt haben. Die Stresshormone bewirken, dass im Magen mehr Säure produziert wird. Dadurch kann Sodbrennen entstehen und sogar ein höheres Risiko an einem Magengeschwür zu erkranken.
Aber nicht nur körperliche Erkrankungen können die Folge sein. Langanhaltender Stress kann ebenfalls auf das Gemüt schlagen. Depressionen können sich entwickeln. Eine psychische Erkrankung, die in Deutschland stetig zunimmt. Aber auch Panikattacken und Burnout zählen zu den Folgen, die durch Stress entstehen können.
Wir sehen, dass sich ein anhaltender Stress im ganzen Körper eines Menschen bemerkbar machen kann. Schwere Erkrankungen können damit einhergehen und somit auch die Lebensqualität vermindern.

Levi gibt an, dass Stressoren verantwortlich gemacht werden können, dass sich die physikalische Umwelt sowie die psychosoziale Situation verändern kann.

Levis Untersuchungen

Die Entwicklung des Levi Stressmodells gelang dem Forscher mittels verschiedener Untersuchungen.

1. Filmpräsentationen

Zum einen zeigte er verschiedenen Probanden unterschiedliche Filmpräsentationen. Diese Filme waren unterteilt in witzige, aggressive oder gruslige Ausschnitte. Levi konnte anhand dieser Untersuchung keine spezifischen Reaktionsmuster ermitteln. Durch diesen Versuch zeigte sich eher, dass er Reaktionsstereotypen ermittelte, die durch unspezifische Reaktionen hervorgerufen wurden. Wenn die Probanden den Gruselfilm sahen, so konnte ermittelt werden, dass vermehrt Noradrenalin ausgeschüttet wurde. Diese Ergebnisse nutzte der Wissenschaftler für das Levis Stressmodell.

Akkordarbeit
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2. Akkordarbeit vs Lohnarbeit

Eine weitere Forschung zu Levis Stressmodell wurde in einer Fabrik bei Frauen durchgeführt. Die Feldforschung untersuchte Lohnarbeit im Gegensatz zu Akkordarbeit und den damit empfundenen psychischen Belastungen. Die Ergebnisse zeigten, dass 40% der Frauen unter Akkordarbeit vermehrt Adrenalin ausschütteten als die Damen in der Kontrollgruppe. Ebenso konnte man eine Erhöhung der Noradrenalin und Kreatininwerte feststellen. Über einen Fragebogen befragte man die Frauen im Anschluss nochmal. Die Probandinnen gaben an, sich unter Akkordarbeit gehetzt zu fühlen und dadurch müder zu werden. Insgesamt fühlten sie sich dadurch körperlich unwohler, auch diese Ergebnisse flossen in die Entwicklung von Levis Stressmodell mit ein.
Der Wissenschaftler Levi gibt an, dass ein Individuum Stress subjektiv wahrnimmt. Jeder Mensch hat unterschiedliche Möglichkeiten der Stressbewältigung. Je nachdem in wie weit diese ausgeprägt sind, kann er unterschiedlich auf verschiedene stressige Situationen reagieren.

Levis Stressmodell erklärt den Zusammenhang von Belastungen auf den Körper sehr gut und wird daher auch Jahrzehnte später noch oft zitiert.